(Teil 6 in einer Beitragsreihe von insgesamt 9 aufeinander aufbauenden Fachbeiträgen zum Thema Liquid Alternatives)

Stellen Sie sich vor, es gäbe eine Anlageklasse, die sich völlig unabhängig von Aktien- und Anleihemärkten entwickelt. Eine Anlage, die weder von Zinsentscheidungen der Notenbanken noch von Konjunkturzyklen oder geopolitischen Spannungen beeinflusst wird. Klingt zu gut, um wahr zu sein? Genau diese Eigenschaften bieten Versicherungsprämien, insbesondere in Form von Katastrophenanleihen (Cat Bonds) – ein Bereich, der lange Zeit nur institutionellen Investoren zugänglich war, nun aber auch für Privatanleger erreichbar ist.

Was sind Katastrophenanleihen?

Katastrophenanleihen funktionieren im Prinzip wie eine umgekehrte Versicherung. Bei einer normalen Versicherung zahlen Sie eine Prämie und erhalten im Schadensfall eine Entschädigung. Bei Cat Bonds stehen Sie auf der anderen Seite: Sie nehmen die Rolle des Versicherers ein und erhalten Prämien dafür, dass Sie einen Teil des Risikos für bestimmte Naturkatastrophen übernehmen.

Konkret sieht das so aus: Versicherungsunternehmen geben über spezielle Zweckgesellschaften Anleihen aus. Die Anleger erhalten regelmäßige Zinszahlungen – typischerweise deutlich höher als bei normalen Anleihen. Im Gegenzug tragen sie das Risiko, dass ein Teil ihres Kapitals verloren geht, falls eine definierte Naturkatastrophe eintritt, beispielsweise ein Hurrikan bestimmter Stärke in Florida oder ein Erdbeben in Japan.

Die Besonderheit: Diese Ereignisse haben keinerlei Zusammenhang mit dem Geschehen an den Finanzmärkten. Ob die Börsen steigen oder fallen, ob die Zinsen hoch oder niedrig sind – für Cat Bonds spielt das keine Rolle.

Die einzigartige Unabhängigkeit von den Märkten

Diese Unabhängigkeit ist der Hauptgrund, warum führende institutionelle Investoren weltweit seit Jahren auf Versicherungsprämien setzen. Pensionskassen, Staatsfonds und Universitätsstiftungen wie Harvard oder Yale haben längst erkannt: Echte Diversifikation erfordert Anlagen, die anderen Regeln folgen als Aktien und Anleihen.

Die Mathematik ist bestechend einfach: Wenn ein Teil Ihres Portfolios unabhängig vom Rest performt, sinkt die Gesamtvolatilität. Ihre Vermögensentwicklung wird gleichmäßiger, Drawdowns (Maximalverluste) werden reduziert.

Empirische Daten bestätigen dies eindrucksvoll. Während der Finanzkrise 2008, als nahezu alle Anlageklassen gleichzeitig einbrachen, lieferten Cat Bonds stabile positive Renditen. Ähnliches zeigte sich in der Corona-Krise 2020 und während der Inflations- und Zinsturbulenzen 2022.

Wie werden Risiken berechnet und bewertet?

Ein häufiges Missverständnis: Viele denken, bei Versicherungsprämien handle es sich um unberechenbare Wetten auf Naturkatastrophen. Das Gegenteil ist der Fall. Die Risikomodellierung für Naturkatastrophen ist eine hochentwickelte Wissenschaft, die auf jahrzehntelangen Daten und ausgefeilten mathematischen Modellen basiert.

Versicherungsmathematiker (Aktuare) analysieren historische Ereignisse, meteorologische und seismologische Daten, geografische Besonderheiten und Bebauungsstrukturen. Mit Hilfe leistungsfähiger Computer werden tausende Szenarien simuliert, um Eintrittswahrscheinlichkeiten und potenzielle Schadenshöhen präzise zu kalkulieren.

Diese wissenschaftliche Herangehensweise macht Versicherungsprämien zu einer berechenbaren Renditequelle – kein Glücksspiel, sondern systematisches Risikomanagement.

Breite Streuung ist entscheidend

Wie bei jeder Versicherung ist die breite Streuung der Risiken entscheidend. Kein vernünftiger Anleger würde sein gesamtes Kapital auf eine einzige Katastrophenanleihe setzen – genau wie keine Versicherungsgesellschaft nur Policen für ein einziges Gebäude verkaufen würde.

Professionelle Cat-Bond-Fonds investieren typischerweise in 50-100 verschiedene Anleihen, die unterschiedliche Regionen und Ereignistypen abdecken: Hurrikane in den USA, Erdbeben in Japan, Winterstürme in Europa, Überschwemmungen in Australien und vieles mehr.

Diese Diversifikation sorgt dafür, dass selbst wenn einzelne Ereignisse eintreten und zu Verlusten führen, das Gesamtportfolio stabil bleibt. Die Versicherungsprämien der nicht betroffenen Anleihen gleichen die Verluste aus – genau wie im klassischen Versicherungsgeschäft.

Praktische Umsetzung für Privatanleger

Wie können Sie als Privatanleger von dieser Anlageklasse profitieren?

Der Zugang erfolgt am besten über spezialisierte Fonds, die nach europäischen UCITS-Richtlinien reguliert sind. Diese Fonds bieten mehrere Vorteile:

Professionelles Management: Erfahrene Teams mit Expertise in Versicherungsmathematik und Risikobewertung treffen die Anlageentscheidungen.

Breite Diversifikation: Ihr Kapital wird über zahlreiche verschiedene Risiken gestreut, statt auf einzelne Ereignisse zu setzen.

Tägliche Liquidität: Anders als bei direkten Investments in Cat Bonds, die oft mehrjährige Laufzeiten haben, können Sie bei UCITS-Fonds täglich ein- und aussteigen.

Regulatorischer Schutz: Die strengen europäischen Vorschriften sorgen für Transparenz und Anlegerschutz.

Bei der Auswahl eines geeigneten Fonds sollten Sie auf einige Punkte achten:

  • Erfahrung und Expertise des Managementteams
  • Track Record über verschiedene Marktphasen
  • Breite Diversifikation über verschiedene Risikoarten
  • Transparente Kommunikation auch über potenzielle Risiken
  • Angemessene Kostenstruktur

Integration in Ihr Gesamtportfolio

Wie viel Ihres Vermögens sollten Sie in Versicherungsprämien investieren? Für die meisten Privatanleger ist eine Beimischung von 5-15% sinnvoll. Dieser Anteil ist groß genug, um einen spürbaren Diversifikationseffekt zu erzielen, aber nicht so groß, dass einzelne Ereignisse das Gesamtportfolio zu stark beeinflussen würden.

Besonders wertvoll ist die Kombination mit anderen alternativen Strategien wie Volatilitätsprämien oder Absolute-Return-Ansätzen. Gemeinsam bilden sie einen Portfoliobaustein, der weitgehend unabhängig von traditionellen Märkten funktioniert – ein wertvoller Puffer in Krisenzeiten.

Eine alternative stellt eine Investition in ein Kerninvestment in Form eines Multi-Asset-Fonds, der auch in Katastrophenanleihen investiert. Hier hat man den Vorteil, dass der Fondsmanager seine Expertise bei der Auswahl der Einzelinvestments mit einbringt.

Risiken verstehen und einordnen

Natürlich gibt es keine Rendite ohne Risiko – auch bei Versicherungsprämien nicht. Das Hauptrisiko liegt in außergewöhnlichen Naturkatastrophen, die zu Verlusten führen können. Wichtig ist jedoch die richtige Einordnung:

  1. Diese Risiken sind wissenschaftlich analysiert und eingepreist.
  2. Die breite Streuung reduziert die Auswirkungen einzelner Ereignisse.
  3. Die Risiken sind nicht mit denen traditioneller Anlagen korreliert.

Gerade der letzte Punkt macht Versicherungsprämien so wertvoll. Selbst wenn Verluste eintreten, geschehen sie typischerweise nicht zur selben Zeit wie Einbrüche an den Aktien- oder Anleihemärkten. Diese Unabhängigkeit ist der eigentliche Mehrwert.

Fazit: Eine sinnvolle Ergänzung für moderne Portfolios

Versicherungsprämien wie Cat Bonds sind ein Paradebeispiel für echte Diversifikation – jenseits der üblichen Aktien-Anleihen-Mischung. Sie bieten Zugang zu einer Renditequelle, die unabhängig von wirtschaftlichen und politischen Entwicklungen funktioniert.

In einer Zeit, in der traditionelle Diversifikationsansätze an ihre Grenzen stoßen und Korrelationen zwischen klassischen Anlageklassen zunehmen, wird diese Unabhängigkeit immer wertvoller.

Moderne Investmentlösungen machen diese faszinierende Anlageklasse heute auch für Privatanleger zugänglich. Wer sein Portfolio wirklich krisenfest aufstellen möchte, sollte diese Möglichkeit nicht ignorieren. Die echte Unabhängigkeit von den Märkten ist ein Luxus, den sich heute jeder leisten kann.

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Stefan Toetzke
Stefan Toetzke ist ein renommierter Experte im Derivatehandel mit über drei Jahrzehnten Erfahrung. Seine Karriere begann 1989 im Optionshandel bei der DG Bank, parallel zum Start der Deutschen Terminbörse. Seit 1991 ist er für die heutige Eurex tätig, wo er Börsenteilnehmer und Kunden in den Feinheiten des Derivatehandels schult, einschließlich Themen wie Rollen und Kapitalmaßnahmen. Ab 1993 vermittelte er weltweit die Eurex-Händlerprüfung und lehrt Derivate in Zertifizierungskursen der Bankakademien. Zudem schult er Institutionen wie die Bundesbank, die BaFin und Fachabteilungen von Banken. Sein Fachwissen erstreckt sich über zahlreiche weitere Themen wie ETFs, Repo/Wertpapierleihe und Risikomanagement. Seit Ende 2019 berät Stefan Toetzke zudem den Multi-Asset-Investmentfonds "Diversified Risk & Return" sowie seit 2025 den Fonds "Diversified Risk & Return alpha+"