(Teil 5 in einer Beitragsreihe von insgesamt 9 aufeinander aufbauenden Fachbeiträgen zum Thema Liquid Alternatives)
Wenn von Volatilität die Rede ist, denken die meisten Anleger sofort an Risiko und Unsicherheit. Starke Kursschwankungen gelten üblicherweise als etwas, das man vermeiden möchte. Doch was nur wenige wissen: Volatilität ist nicht nur ein Risiko, sondern auch eine attraktive Renditequelle. Professionelle Investoren nutzen dieses Phänomen seit langem – und heute können auch Privatanleger davon profitieren.
Das Geheimnis der Volatilitätsprämie
Die Grundidee ist eigentlich ganz einfach und lässt sich mit einer Versicherung vergleichen. Stellen Sie sich vor, Sie besitzen ein Haus und zahlen jährlich eine Prämie, um es gegen Feuer zu versichern. Die Versicherungsgesellschaft kassiert diese Prämien von tausenden Hausbesitzern. Nur bei wenigen wird tatsächlich ein Schaden eintreten – und genau deshalb ist das Versicherungsgeschäft profitabel.
An den Finanzmärkten funktioniert es ähnlich. Viele Anleger sind bereit, eine „Versicherungsprämie“ zu zahlen, um ihre Portfolios gegen starke Marktschwankungen abzusichern. Diese Prämien können systematisch vereinnahmt werden – wie bei einer Versicherungsgesellschaft, die darauf wettet, dass nicht alle Häuser gleichzeitig abbrennen.
Das Interessante daran: Diese Volatilitätsprämien haben wenig mit der allgemeinen Marktrichtung zu tun. Sie können auch in Seitwärtsphasen oder sogar in leicht fallenden Märkten positive Erträge liefern. Genau diese Unabhängigkeit macht sie so wertvoll für ein diversifiziertes Portfolio.
Warum gibt es diese Prämie überhaupt?
Die Volatilitätsprämie ist kein Zufall oder vorübergehendes Phänomen. Sie basiert auf strukturellen Faktoren:
Verhaltenspsychologie: Menschen überschätzen tendenziell die Wahrscheinlichkeit extremer Ereignisse und sind bereit, für Absicherung zu viel zu bezahlen – ähnlich wie bei Versicherungen.
Institutionelle Nachfrage: Viele Großinvestoren wie Pensionskassen oder Stiftungen sind regulatorisch verpflichtet, ihre Risiken zu begrenzen. Dies schafft eine konstante Nachfrage nach Absicherungsinstrumenten.
Risikoaversion: Die meisten Menschen empfinden Verluste stärker als gleichhohe Gewinne. Diese Asymmetrie führt dazu, dass Absicherungen tendenziell überbewertet sind.
Diese Faktoren wirken dauerhaft und sorgen dafür, dass die Volatilitätsprämie keine Anomalie ist, sondern eine systematisch nutzbare Renditequelle.
Wie funktionieren Volatilitätsstrategien in der Praxis?
Die konkrete Umsetzung von Volatilitätsstrategien kann komplex sein und erfordert spezialisiertes Know-how. Vereinfacht gesagt, gibt es verschiedene Ansätze:
Short-Volatility-Strategien verkaufen quasi „Versicherungen“ gegen Marktschwankungen. Sie generieren in ruhigen Marktphasen stetige Erträge, können aber bei plötzlichen Markteinbrüchen Verluste erleiden.
Volatilitäts-Arbitrage nutzt Unterschiede zwischen impliziter Volatilität (in Optionspreisen enthaltene Erwartung) und tatsächlicher Volatilität. Diese Strategie ist marktneutraler und weniger anfällig für extreme Ereignisse.
Dynamische Volatilitätsstrategien passen ihr Exposure je nach Marktlage an. Sie reduzieren Risiken in turbulenten Zeiten und erhöhen sie in ruhigen Phasen.
Der Schlüssel zum Erfolg liegt in einer ausgewogenen Kombination dieser Ansätze sowie einem stringenten Risikomanagement. Professionelle Manager überwachen kontinuierlich verschiedene Risikoindikatoren und passen ihre Positionen entsprechend an.
Warum Volatilitätsstrategien in Ihr Portfolio gehören
Die Integration von Volatilitätsstrategien bietet mehrere wichtige Vorteile:
Echte Diversifikation: Volatilitätsprämien entwickeln sich meist unabhängig von traditionellen Anlageklassen. In vielen Fällen besteht sogar eine negative Korrelation zu Aktien – sie können also steigen, wenn Aktienmärkte fallen.
Stetige Ertragsquelle: In den meisten Marktphasen liefern diese Strategien kontinuierliche Erträge, die nicht von steigenden Kursen abhängig sind.
Verbessertes Risiko-Rendite-Profil: Durch die geringe Korrelation zu anderen Anlagen kann die Beimischung von Volatilitätsstrategien die Schwankungen des Gesamtportfolios reduzieren, ohne die Renditechancen zu schmälern.
Krisenpuffer: Bestimmte Volatilitätsstrategien können in Marktkrisen positive Erträge erzielen und so Verluste in anderen Portfoliobereichen abfedern.
Worauf Sie bei der Umsetzung achten sollten
Für Privatanleger empfiehlt sich der Zugang über professionell gemanagte Fonds, die auf Volatilitätsstrategien spezialisiert sind. Bei der Auswahl sollten Sie auf einige wichtige Punkte achten:
Erfahrenes Management: Volatilitätsstrategien erfordern spezialisiertes Know-how und Erfahrung. Achten Sie auf ein Team mit nachgewiesener Expertise.
Risikomanagement: Fragen Sie, welche Mechanismen zum Schutz vor extremen Marktereignissen implementiert sind. Ein durchdachtes Risikomanagement ist entscheidend.
Track Record: Wie hat sich die Strategie in verschiedenen Marktphasen verhalten, besonders in Krisenzeiten wie 2008 oder 2020?
Transparenz: Die grundlegenden Prinzipien der Strategie sollten verständlich erklärt werden können, auch wenn die technischen Details komplex sind.
Regulierung: Bevorzugen Sie UCITS-regulierte Fonds, die hohen europäischen Standards entsprechen und tägliche Liquidität bieten.
Integration ins Gesamtportfolio
Wie viel Ihres Portfolios sollten Sie in Volatilitätsstrategien investieren? Eine pauschale Antwort gibt es nicht, aber einige Orientierungspunkte:
Für die meisten Privatanleger ist eine Beimischung von 5-15% des Gesamtvermögens sinnvoll. Dieser Anteil ist groß genug, um einen spürbaren Diversifikationseffekt zu erzielen, aber nicht so groß, dass Verluste in extremen Szenarien das Gesamtportfolio übermäßig belasten würden.
Wichtig ist die regelmäßige Überprüfung und gegebenenfalls Anpassung. Wenn Volatilitätsstrategien über längere Zeit gut laufen, steigt automatisch ihr Anteil am Portfolio – ein Rebalancing kann dann sinnvoll sein.
Eine alternative stellt eine Investition in ein Kerninvestment in Form eines Multi-Asset-Fonds, der auch in Volatilitätsstrategien investiert. Hier hat man den Vorteil, dass der Fondsmanager seine Expertise bei der Auswahl der Einzelinvestments mit einbringt.
Fazit: Eine wertvolle Ergänzung moderner Portfolios
Volatilitätsstrategien sind ein klassisches Beispiel dafür, wie moderne Anlagekonzepte Privatanlegern Zugang zu Renditequellen verschaffen, die früher institutionellen Investoren vorbehalten waren.
Sie sind kein Wundermittel und können traditionelle Anlagen nicht ersetzen. Aber als Ergänzung bieten sie wertvolle Diversifikationsvorteile und eine zusätzliche Ertragsquelle, die unabhängig von steigenden Märkten funktioniert.
In einer Zeit, in der Zinsen trotz leichter Anstiege historisch niedrig bleiben und traditionelle Anleihen ihre Rolle als Stabilisator nur noch eingeschränkt erfüllen können, sind alternative Renditequellen wichtiger denn je. Volatilitätsstrategien können hier eine wichtige Lücke schließen.
Wer sein Portfolio für die Zukunft rüsten möchte, sollte diese systematische Renditequelle nicht ignorieren. Die Volatilitätsprämie wartet darauf, geerntet zu werden – und heute können auch Privatanleger davon profitieren.